Piercing. Infos aus der Praxis Dr. Wilde

Piercings

Was Sie vorher wissen sollten

Viele Jugendliche und junge Erwachsene lassen sich Piercings stechen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Manche versuchen dadurch ihre Individualität zu betonen. Andere machen es, weil es gerade Mode ist.

Bei Piercings werden Ringe oder Stäbe im Gesicht und an anderen Körperstellen durch die Haut gestochen, manchmal auch durch Knorpel- und Fettgewebe. Herkömmliche Ohrringe oder -stecker sind eigentlich auch Piercings.

Rechtlich gesehen ist das Durchbohren von Körpergewebe eine Körperverletzung. Falls keine angemessene Aufklärung über die Risiken vorher stattfindet, ist das sogar strafbar.

„Piercings und Tätowierungen können Entzündungen, Verletzungen und andere Komplikationen verursachen. Der Gesetzgeber sollte Minderjährige vor diesen Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit und ihren oft nachhaltigen Folgen schützen.“

Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ e.V.)

Leute unter 18 Jahren benötigen in Deutschland die schriftliche Einverständnis der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Außerdem lassen Piercingstudios sich auch von Volljährigen normalerweise eine Einverständniserklärung unterschreiben, um den Vorwurf der Körperverletzung auszuschließen.

Theoretisch darf jeder ein Piercing-Studio eröffnen. Eine geregelte Berufsausbildung für Piercer gibt es nicht. Und es ist nicht selbstverständlich, dass sie sich mit den anatomischen Strukturen wie beispielsweise dem Verlauf von Nervenbahnen gut genug auskennen.

Viele argumentieren, Piercings seien leicht wieder rückgängig zu machen. Im Gegensatz zu einem Tattoo reiche Rausschrauben, und das Loch heile von alleine wieder zu und alles sei wie vorher.

Schon beim Stechen eines Piercings kann allerhand schief gehen. Werden Blutgefäße getroffen, kommt es zu starken Blutungen, die unter Umständen nur schwer zu stillen sind.

Trifft der Piercer dagegen in eine Nervenbahn, kann es zu nicht wieder heilbaren Nervenschädigungen kommen. Rausschrauben nützt da nichts mehr. Der Nervenschaden bleibt.

Wird im Piercing-Studio geraucht oder rennen Tiere herum, ist es mit der Hygiene wohl nicht weit her. Dann drohen Infektionen der Wunden.

Schon kleinere Wundinfektionen führen leicht zur Bildung von auffälligen, wulstigen Narben. Manche finden das gerade interessant, andere eher hässlich. Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Aber wenn der Geschmack sich ändert, ist die Narbe trotzdem noch da.

Piercinglöcher durch Haut wachsen zwar wieder zu. Knorpel heilt dagegen sehr schlecht. Infektionen an Ohrmuschel- oder Nasenflügelpiercings sind deshalb problematisch.
Wo wird im Mundbereich gepierct:
  • Lippe
  • Zunge
  • Lippenbändchen   ( = Frenulum)
  • Wange

In der Mundhöhle wuselt es nur so vor Bakterien. Sterile Verhältnisse sind nicht herstellbar. Deshalb ist das Risiko einer Wundheilungsstörung im Mund deutlich erhöht.

Zum Glück sind die Gewebe der Mundhöhle gut durchblutet. Deshalb ist auch die Heilungstendenz in der Regel gut. Es gab aber schon Fälle, in denen eine Teilamputation der Zunge drohte.

Die gute Durchblutung des Mundraumes führt andererseits auch zu einem erhöhten Blutungs- und Schwellungsrisiko.

Insbesondere bei Zungenpiercings sind Schwellungen problematisch. Außerdem ist mit Sprech- und Kaustörungen zu rechnen.

Eine unumkehrbare Nervschädigung ist gerade im Mund ein besonders schwerer Schicksalsschlag. (Essen, trinken, reden, küssen, schmecken – den Mund braucht man für so vieles)

Der künstliche Kanal, durch den das Piercing gesteckt wird, bietet den zahlreichen Bakterien der Mundhöhle zusätzliche, schwer zu reinigende Schlupfwinkel.
Das fördert unangenehmen Mundgeruch.

Piercing, lieber ohne Haken im Mund
Zahnschmelz ist mit Mohs-Härte 5 die härteste Substanz, die unser Körper produziert. Dieses harte, kristallin aufgebaute Material ist allerdings nicht unzerstörbar. Kariesbakterien und Softdrinks machen den Schmelz auf chemischem Wege kaputt.

Lippenbändchen-Piercings verdecken einen Teil der oberen Schneidezähne, und zwar gerade da, wo der Schmelz besonders dünn ist. Oft wird nur um das Piercing herum geputzt, dahinter aber nicht – da haben die Bakterien leichtes Spiel. Das Loch entdeckt man dann erst, wenn man das Piercing hochklappt.

Aber auch mechanisch kann man seinem Zahnschmelz ordentlich zusetzen.

Mohs-Härte 5 heißt: Mit einem Messer noch ritzbar. Metall kann also Zahnschmelz mechanisch schädigen. Und auch hier kommen die Piercings ins Spiel.

Die Zunge ist beweglich und Eure Zähne sind gleich nebenan. Beim Sprechen, Schlucken, Kauen und selbst wenn Ihr gar nicht bewusst daran denkt, klöppelt die Kugel des Zungenpiercings immer wieder gegen die inneren Höcker der Zähne.

Das Piercing verleitet zum Dran-Rumspielen. Oder Ihr beißt versehentlich drauf. Dadurch entstehen Mikrorisse, die sich irgendwann zu größeren Rissen entwickeln und zum Abbrechen von ganzen Höckern führen können.

Die feinen Risse sind nicht zu reparieren. Meistens kann man sie gar nicht diagnostizieren. Sie können allerdings erhebliche Beschwerden verursachen, auch schon bevor es zum Zahnbruch kommt.

Beim Lippen- und Wangenpiercing liegt die Konterplatte auf der Innenseite auf Zahnfleischhöhe. Bei jeder Bewegung scheuert die Platte am Zahnfleisch und drückt gegen die dünne Knochenlamelle, an der der Zahn befestigt ist. Knochen geht aber durch Druck zurück. Geschwundener Knochen wächst nicht wieder hin. Es kann zur Lockerung des Zahnes kommen

Entsprechendes gilt für Piercings des oberen Lippenbändchens, wo das Piercing auf das Zahnfleischdreieck zwischen den oberen mittleren Schneidezähnen drückt. Das ist die Stelle, wo jeder automatisch als erstes hinguckt. Wenn das Zahnfleisch dort schwindet, entsteht ein unschönes schwarzes Dreieck.

Der von Piercingstudios angebotene Ausweg, das Piercing näher an die Mundspalte zu setzen, um die Schädigung des Zahnfleisches zu umgehen, führt dazu, daß die Konterplatte statt gegen Zahnfleisch und Zahnhals eben gegen die Zahnkrone schlägt. Das führt zu Sprüngen im Schmelz und zu Abplatzungen.

Manche spielen bewußt oder unbewußt an der Konterplatte mit den Zähnen herum, insbesondere, wenn das Piercing auf Zahnhöhe sitzt. Kaum eine Zahnkante hält dem Metallbolzen auf Dauer stand. Irgendwann bröckelt’s.

Eine weitere Variante ist der Ersatz der metallenen Konterplatte durch ein Teil aus weichbleibendem Kunststoff. Das scheuert zwar weniger, der Druck auf den Knochen bleibt jedoch weitgehend derselbe.
Außerdem stehen Weichmacher im Verdacht, krebserregend zu sein.

Während die Metallteile von Piercings meistens aus Titan bestehen, das  keine Allergien auslöst, ist die Frage, ob die Kunststoffteile an Piercings Allergien verursachen, noch nicht beantwortet.

Folgen sind also Löcher, Sprünge, Risse, Brüche im Zahn, manchmal sogar , Zahnfleischverletzungen, Knochenrückgang, Zahnlockerung bis hin zum Verlust von Zähnen.

Auch hier gilt:

Ist der Schaden erst mal da, heilt er auch nach Entfernung des Piercings nicht mehr ab.

Das Abplatzrisiko bei Keramik ist noch höher als bei natürlichen Zähnen. Träger von Zungenpiercings müssen deshalb leider auf aus Keramik gefertigte Kronen und Brücken, die echten Zähnen täuschend ähnlich sehen, verzichten und sich mit weniger ästhetischem Zahnersatz zufrieden geben.

Das Stechen von Piercings gilt als eine „medizinisch nicht notwendige Behandlung“. Kommt es im Anschluß zu Komplikationen, dann sind Ärzte und Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet, dies zu melden. Versicherte von gesetzlichen Krankenkassen müssen die Behandlungskosten in angemessenem Umfang selbst bezahlen.

Normalerweise bekommt ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall Lohnfortzahlung. Allerdings trägt der Arbeitgeber nur das ganz normale Krankheitsrisiko. Wer auf eigenen Wunsch ein Gesundheitsrisiko wie das Stechen eines Piercings eingeht und daraufhin arbeitsunfähig wird, verliert den Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Deshalb:

Lieber ohne Haken im Mund

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