Mama Malangu's Café

Mama Malangus Café

Kurzgeschichte von Dr. Imogen Wilde nach Motiven von Alexander McCall Smith
Flamingokopf für Mama Malangus Café
Krokodilauge für Mama Malangus Café
Zebras, Mama Malangus Café
Afrikanischer Elefant
Leopardenkopf, Mama Malangu's Café
Safari am Abend in Mama Malangu's Café

Feierabend im Café

 „Fertig!“ Mama Malangu atmet tief durch. Schwungvoll landet das Geschirrtuch, mit dem sie eben noch das letzte Küchenmesser abgetrocknet hat, überm Haken.

Es war wieder einmal ein langer erfüllter Arbeitstag in ihrer kleinen Garküche in der Savanne der Republik Banana. Sie ist Köchin mit Leib und Seele.

Schon lange hat sich in den Dörfern der Umgebung herumgesprochen, daß man in Mama Malangu’s Café äußerst lecker essen kann und obendrein stets mit besonders herzlicher Gastfreundschaft behandelt wird. Die Leute stehen bei ihr Schlange.

Über Mangel an Arbeit kann Mama Malangu sich wirklich nicht beklagen. Auch heute ist es wieder einmal sehr spät geworden. Sie setzt sich im Schein einer Kerosinlampe unter den Mangobaum vor ihrem kleinen Café.

„Ich koche uns einen Tee“, kündigt Joy Matibenga an. Ihre Nachbarin und Freundin hilft ihr jeden Abend, die Töpfe zu schrubben und die Küche aufzuräumen.

Eine Tasse Tee und Joys Gesellschaft sind genau das Richtige, um wieder Kräfte zu sammeln. Denn Mama Malangu muss sich nun noch um den ganzen Papierkram kümmern, den das kleine Restaurant so mit sich bringt.

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Afrika-Obst-Konserven

Mehrere Briefe sind noch an die „Afrika-Obst-Konservenfabrik“ zu schreiben. Die schickt seit Jahren ihre Mitarbeiterinnen und deren Kinderschar zum Mittagessen ins Café.

 Die Fabrik zieht den Arbeiterinnen für die Essensmarken einen Teil des Lohnes ab und spart sich die Kantine. Mama Malangu versorgt die hungrigen Mäuler und bekommt dafür eine Bezahlung von der Konservenfabrik. Das hat lange Zeit eigentlich ganz gut geklappt.

Vor ein paar Jahren hat die Regierung der Republik Banana, die sehr großes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der „Africa-Obst-Konservenfabrik“ hat, beschlossen, daß die Fabrik möglichst wenig Geld für die Verpflegung ausgeben soll.

„Kostendämpfung im Gaststättenwesen“ nennen die das. Den Arbeiterinnen wird trotzdem jedes Jahr mehr für Essensmarken abgezogen.

Mama Malangu bekommt aber seither pro Jahr nur noch bis zu einem willkürlich festgelegten Grenzbetrag Mittagessensgeld. Das muss für alle Arbeiterinnen und deren Familien reichen.

Es reicht natürlich nicht. Aber Mama Malangu bringt es einfach nicht übers Herz, die hungrigen Seelen abzuweisen, und bekocht sie ohne Bezahlung auf eigene Kosten.

Der Ausgleich

Bisher konnte sie Verluste immer noch wettmachen. Es gibt ja auch andere Gäste – solche, die auf eigene Rechnung bei ihr an den vier Tischen unter dem Mangobaum speisen. Öfters kehren auch Regierungsbeamte bei ihr ein.

Als sie vor über zwanzig Jahren den Kredit aufnahm, „Mama Malangu’s Café“ auf ein Schild malte, an ihre Hütte nagelte und die vier Tische und die Stühle aufstellte, war es eine Freude, für Beamte zu kochen.

Sie leisten sich gerne auch raffiniertere Gerichte mit Fisch oder Fleisch und lassen sich die Speisen hinterher von der Regierung zurückzahlen.

Die fürsorgliche Regierung

Die Regierung brüstet sich mit ihrer Fürsorge für die Beamten. „Ganz ohne Zuzahlung“ (GOZ) nennen sie das Erstattungs-Programm.

Als Mama Malangu erst drei Jahre alt war, haben die Politiker von Republik Banana einen Erlass verabschiedet, in dem der Preisrahmen für alle Gerichte in Restaurants abgesteckt ist. Damals haben Köche ordentlich Geld verdient, wenn Beamte zu Gast waren. Die GOZ-Preise sind dann all die Jahre nie angehoben worden.

Viel Zeit ist vergangen. Mama Malangus Haare werden nun schon grau. Selbst die als eher knauserig bekannte Konservenfabrik bezahlt für etliche Gerichte inzwischen mehr als die Erstattungsstelle.

Kreativität im Café

Zum Glück ist Mama Malangu erfinderisch. Sie mixt leckere Kokosmilchcocktails. Zum Zeitpunkt des Regierungserlasses hat noch niemand an ein solches Rezept gedacht. 

Deshalb kann sie den Preis dafür selbst festsetzen – in vernünftiger Höhe, so daß niemand übervorteilt wird und sie trotzdem gut davon leben kann.

Die Nachfrage nach Kokosmilkshakes ist riesig. Rasch werden sie zu Mama Malangus Haupteinnahmequelle.

Wie man Prioritäten setzt

Der Gastronomie-Verband fordert schon lange, die Preise des „Ganz ohne Zuzahlungs“-Programmes an die heftig gestiegenen Betriebskosten anzupassen. Eigentlich ist die Regierung dazu verpflichtet.

Sie tut es aber nicht. Die öffentlichen Kassen sind nämlich leer. Die Machthaber in der Republik Banana brauchen das Geld für andere Dinge.

 Für ihre vollklimatisierten Paläste, italienischen Maßanzüge und Luxus-Dienstkarossen mit Chauffeur beispielsweise. Und für Wahlgeschenke an die Leute, die sie alle paar Jahre gefälligst wiederwählen sollen.

Die Beamtenschaft muss unbedingt bei Laune gehalten werden.  Die Spesenrechnungen ufern immer mehr aus. Das ist kein Wunder, denn die Regierung Bananas hat den Beamtenapparat enorm aufgebläht.

 

Die Arbeit, die früher ein Beamter alleine erledigt hat, wird heute auf mehrere Teilzeit-Beamte aufgeteilt, die wiederum jeder vollen Anspruch auf Erstattung ihrer Spesen haben.

 

 Mehr Leute essen eben mehr. Und mit billigem Hirse-Stampf wie in Mama Malangus Kindertagen gibt sich heutzutage ja keiner mehr zufrieden.

Es wäre peinlich für die Politiker, wenn die Beamten merkten, daß an ihnen gespart werden soll. Deshalb behaupten die Erstattungsstellen seit Jahren immer wieder, die Spesenrechnungen seien falsch gestellt und vor allem viel zu hoch.

Überhaupt stellt die Regierung es gerne so dar, als seien an den leeren Kassen hauptsächlich die Köchinnen schuld. Die sollen doch angesichts der schwierigen Haushaltslage bitteschön Verständnis haben und weiter auf angemessene Entlohnung verzichten.

 Unterdessen gönnen die Politiker sich selbst mit schöner Regelmäßigkeit höhere Diäten.

Tea-Time mit Joy Matibenga

Mama Malangu wird aus ihren Gedanken gerissen, als Joy Matibenga zwei Tassen Tee auf dem Tisch abstellt und sich neben sie setzt. „Der Postbote hat dies hier für dich abgegeben. Sieht wichtig aus“, sagt sie und präsentiert einen dicken Umschlag mit dem Staatssiegel der Republik Banana.

 

Er enthält eine Hochglanzbroschüre mit dem Titel:

„Ganz ohne Zuzahlung“

– neue überarbeitete Preistabelle.

Gültig ab 1.1.2012.

Mama Malangu ist freudig überrascht.

In dem Begleitbrief verspricht die Regierung doch tatsächlich eine Anhebung der GOZ-Einkünfte.

Die Freude währt jedoch nur kurz. „Gerade mal sechs Prozent“, brummt Mama Malangu enttäuscht. „Das reicht doch nicht annähernd aus, um fast fünfzig Jahre Nullrunde auszugleichen.“

„Nullrunde? Aber hier steht: ‚Die Einkünfte der Gastronomen aus Beamtenbewirtungen sind in den letzten zehn Jahren um 36% gewachsen.'“, wagt Joy Matibenga einzuwerfen. „Die sagen, du hast 36% mehr bekommen. Da jammerst du noch?“

Mama Malangu lacht mit bitterem Unterton: „Ich habe keine Lohnerhöhung von 36% bekommen. Ich habe 36% mehr geschuftet – und zwar zu Preisen von anno dazumal, aber bei Unkosten von heute.“

Dann beschleicht sie ein trüber Gedanke: „Wenn die Regierung im Begleitbrief die Tatsachen schon so verdreht, dann ist es mit den versprochenen 6 Prozent vielleicht auch nicht weit her…“ Sie steht auf und holt die alte GOZ-Tabelle. Dann beginnt sie, Gericht für Gericht sämtliche Preise zu vergleichen.

Detektivarbeit im Café

Joy Matibenga nippt an ihrer Teetasse und verrenkt den Hals, um auch einen Blick auf das Zahlenwerk zu erhaschen. „Die Preise sind gar nicht sechs Prozent höher. Die sind ja immer noch dieselben“, staunt sie nach kurzer Durchsicht.

 

„Die meisten. Es gibt ein paar Ausnahmen: Getreidegrütze ist zum Beispiel ein bißchen aufgewertet worden. Aber selbst wenn ich den Höchstpreis verlange, ist es immer noch weniger als der Konservenfabrik-Preis“, seufzt Mama Malangu. Sie tippt mit ihrem Finger auf eine andere Stelle der neuen Preisliste. „Aber hierfür gibt es ordentlich viel Kohle mehr…“

„Meeresfrüchte?“ wundert sich die Nachbarin. „Das hast du doch überhaupt nicht auf der Karte. Wie willst du in deinem Café denn an Hummer und Langusten herankommen – hier mitten in der Savanne? Wüßtest du überhaupt, wie man die zubereitet?

„Notfalls müßte ich eben in ein paar Abendkurse investieren“, entgegnet Mama Malangu. „Aber lebende Hummer in kochendes Wasser zu werfen, nur weil es dafür mehr Geld gibt, das ist nicht meine Art.“

Joy Matibenga nickt wissend.

Mama Malangu trinkt noch einen Schluck Tee. Dann entdeckt sie einen weiteren Posten, der aufgewertet worden ist: „Alkoholische Mixgetränke darf ich auch teurer verkaufen. Aber die Nachfrage danach ist eher bescheiden.“

„Klar, deine Kokosmilkshakes schmecken viel besser, und man behält außerdem einen klaren Kopf“, entgegnet ihre Nachbarin. „Oh, schau mal, die sind jetzt auch in der Preisliste – und ganz billig!“

Das Rätsel wird gelöst

In der Tat – die Regierung hat die neuen Rezepte allesamt ins Programm aufgenommen. Ein Blick auf die vom Finanzministerium vorgeschriebenen Preise läßt Mama  Malangu ganz blaß um die Nase werden. „Nun verstehe ich, mit welchem Taschenspielertrick sie auf die angeblichen 6% Zuwachs kommen“, grollt sie.

Sie bezahlen ab 1.1.2012 sehr viel weniger für Kokosmilkshakes. Dann sind sie unverfroren genug, diesen Preissturz als Einkommenssteigerung zu bezeichnen. Sie tun einfach so, als ob ich für die neuen Rezepte all die Jahre vorher überhaupt nichts bekommen hätte, nur weil sie nicht offiziell auf der Liste standen. So ein Etikettenschwindel!

Eins muss man unseren Politikern lassen: Tatsachen verdrehen können sie wirklich gut.

Zu diesem Spottpreis müßte ich meine Kokosmilkshakes mit minderwertigen Zutaten pantschen. Ich bin doch nicht Köchin geworden, um meinen Gästen irgendwelchen Mist vorzusetzen… Da streiche ich lieber die Kokosmilkshakes von der Karte.“

Joy protestiert: „Aber die schmecken doch allen so gut… Warum verlangst du nicht einfach angemessene Preise – egal, was ‚Ganz ohne Zuzahlung‘ dazu zu sagen hat?“

Mama Malangu zögert: „Die Erstattungsstelle würde die Spesenrechnungen nicht anerkennen, und die Beamten blieben darauf sitzen. Sie sind seit Generationen daran gewöhnt, daß sie nie selbst zur Kasse gebeten werden.

Wahrscheinlich käme ich dann wochenlang nicht mehr zum Kochen, weil ich andauernd Regierungsbeamten erklären müßte, wieso sie selbst etwas bezahlen sollen, wenn die Politiker mir doch angeblich schon 6% höhere Preise schenken. – Ich habe den Schaden, den ganzen Ärger noch dazu, und die Regierung ist wieder mal fein raus.“

Eine Prise Exotik

„Schreib doch alles auf und gib es ihnen zu lesen“, schlägt Joy Matibenga vor.

„Das liest doch keiner. Wir Köche werden grundsätzlich immer als üble, geldgierige Abzocker dargestellt. Die öffentliche Meinung wird gegen uns geschürt…

Und in allen Zeitungen stehen immer nur die Halbwahrheiten der Politiker. Kein Mensch wird mir glauben…“ gibt Mama Malangu zu bedenken.

Joy Matibenga überlegt eine Weile. Schließlich knallt sie ihre Teetasse mit Nachdruck auf den Tisch und verkündet:

„Ich habe die Lösung! Verpacke die Fakten in eine exotisch verfremdete Story. Lass deine Geschichte einfach in einem weit entfernten Land spielen und einer anderen Berufsgruppe passieren. Fang schon mal an! Ich koche uns noch einen Tee.“

Also schreibt Mama Malangu:

„Fertig!“ Dr. Öhringer atmet tief durch. Schwungvoll landet der weiße Kittel, in dem sie gerade noch den letzten Patienten behandelt hat, überm Haken. Es war wieder einmal ein langer, erfüllter Arbeitstag in ihrer kleinen Zahnarztpraxis in der deutschen Provinz…

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