Saugreflex
In den ersten Lebensjahren
Wird ein Baby an der Zungenspitze oder den Lippen berührt, dann löst das reflektorisch Saugbewegungen aus. Das Saugen hat eine tröstende, beruhigende Wirkung.
Auch nach Abklingen des Saugreflexes hält der Beruhigungseffekt des Nuckelns weiter an.
Es muss nicht immer der Daumen sein
Kinder nutzen zum Nuckeln auch andere Finger, Schnuller, Ärmel, Schmusetücher, Trinkflaschen, Stofftiere oder anderes Spielzeug…
Je ängstlicher und angespannter Kinder sind, desto schneller und intensiver nuckeln sie, um sich zu trösten und entspannen zu können.
Stress-Situationen
führen deshalb zu vermehrtem Lutschen. Dazu gehört z.B. der Verlust der Rolle als Mittelpunkt der Familie durch die Geburt eines neuen Geschwisterchens; die Eingewöhnungsphase im Kindergarten und andere Veränderungen in der Familie und dem Umfeld.
Folgen
Folgen für die Gebissentwicklung
Intensives Nuckeln drückt die oberen Schneidezähne nach vorne oben und den Unterkiefer nach hinten. Je stärker ein Zahn nach vorne gekippt steht, desto höher ist das Risiko, daß er bei einem Sturz in Mitleidenschaft gezogen wird. Außerdem kann ein sogenannter „Offener Biß“ entstehen, bei dem die Seitenzähne zwar zusammenbeißen, die Schneidezähne aber in der Luft hängen.
Offener Biss
Diese Zahnfehlstellung ist in den meisten Fällen Folge von Schnuller- oder Daumenlutschen.
Abbeißen geht nur noch seitlich.
Folgen für die Sprachentwicklung
Kinder mit offenem Biß lispeln. Sie können gar nicht anders. Um einen klaren S-Laut auszusprechen, müssen wir nämlich die Schneidekanten aufeinanderstellen. Das ist für jemanden mit einem offenen Biß aber anatomisch nicht möglich. Stattdessen wird die Zunge zur Lautbildung benutzt.
Was bei einem kleinen Kind niedlich klingt, wirkt bei Erwachsenen jedoch unvorteilhaft.
Folgen für die Atemwege
Vorstehende Schneidezähne behindern häufig das Schließen der Lippen. Das führt dazu, daß das Kind eher durch den Mund atmet als durch die Nase.
Bei Mundatmung steigt das Risiko für Erkältungskrankheiten an.
Gleichzeitig führt die Austrocknung des Mundes auch zu einer erhöhten Kariesrate.
Nuckeln abgewöhnen
Wann?
Günstig ist, wenn das Kind das Lutschen im Alter von 3 Jahren aufgibt, denn Zahnfehlstellungen im frühen Milchgebiß können von alleine wieder ausheilen, wenn der Daumen / Schnuller / Lutschgegenstand draußen bleibt.
Ab dem 4. Geburtstag kann man nicht mehr davon ausgehen, daß der offene Biß sich von ganz alleine wieder schließt.
Allerdings
Wenn das Daumenlutschen ohne negative Folgen für die Zahnstellung geblieben ist, können Sie die Sache ganz relaxt angehen.
Dann ist der Zeitpunkt eigentlich egal.
Überhaupt ist es gut, entspannt mit der Lutscherei umzugehen. Zu rigorose Abgewöhnungsversuche bauen Druck auf. Das führt bei Ihrem Kind erst recht zu verstärktem Nuckelbedürfnis.
Wann nicht?
Bedenken Sie bitte auch, daß Ihr Kind unter manchen Umständen einfach seelischen Trost dringend benötigt. Vielleicht ist die familiäre Situation gerade schwierig, oder Ihr Kind hat sonst Kummer.
In dem Fall geht die Seele vor.
Krumme Zähne kann eine Zahnspange auch später noch richten.
Wozu gibt es schließlich Kieferorthopäden?
Wie?
Schimpfen, Strafen, Drohen sind kontraproduktiv. Das lassen Sie besser sein.
Die meisten Kinder hören irgendwann von alleine mit der Lutschgewohnheit auf.
Überlegen Sie: Warum nuckelt Ihr Kind?
Aus Langeweile? – Dann mit Aktivitäten ablenken
Aus Unsicherheit und Angst? – Dann braucht es viel Zuwendung von Ihnen.
Schnuller oder Daumenlutschen
Bieten Sie Ihrem Säugling einen Schnuller an. Schnuller haben eine günstigere Form und sind flexibler als ein Finger.
Grundsätzlich ist es viel einfacher, einem Kind später den Schnuller abzugewöhnen als den Daumen. Der Daumen ist immer da – den Schnuller kann das Kind dem Osterhasen / Christkind / Nikolaus / der Zahnfee mitgeben, und dann ist er weg!
Nicht zu empfehlen
Es gibt verschiedene Salben und Tinkturen, die auf den Lutschfinger aufgetragen werden und unangenehm schmecken.
Man kann mit Pflaster oder Handschuh den Lutschgenuß verderben.
Und dann gibt es noch die Radikalmethode aus dem vorvorigen Jahrhundert, als man den Kindern die Hände an den Bettpfosten festband. – So was geht ja gar nicht!
Trick zum Schnullerentwöhnen
Machen Sie ein Loch in den Schnuller. Die Luft kann jetzt raus. Dadurch verändert sich das Lutschgefühl, und manche Kinder haben dann keine rechte Lust mehr daran. Bei hartnäckigeren Schnullerkindern kann man mit der Schere nach und nach den Sauger immer weiter kürzen, zum Beispiel jede Woche einen Millimeter wegschneiden.
Statt Ihr Kind für das Nuckeln zu bestrafen, lieber loben, wenn es ohne Daumenlutschen auskommt.
Mundvorhofplatte
Ein Gerät, mit dem die Kieferorthopäden helfen können. Es besteht aus einem Plastikschild, das zwischen Lippe und Zähnen in der Umschlagfalte getragen wird und einem Griff. Die Platte schirmt den Mundraum gegen den Daumen ab und hilft gleichzeitig, die nach vorne gekippten Schneidezähne wieder ein Stückchen zurückzuschieben.
T-Guard
Es gibt kleine Plastikschienen, die über den Lutschfinger geschoben und mit einem farbigen Armbändchen an der Hand befestigt werden. Die Schiene läßt seitlich Luft herein, so daß das Kind keinen Unterdruck erzeugen kann. Dadurch verliert das Saugen an Attraktivität.
T-Guard verspricht eine Erfolgsquote von über 95%, ist aber nicht ganz billig.
Versprechungen
Es bringt nichts, dem Kind eine große Belohnung fürs endgültige Aufhören zu versprechen. Der Wunsch nach der Belohnung, die aber erst in weiter Zukunft erfolgt, vergrößert unter Umständen den Stress, was wieder das Nuckelbedürfnis steigert.
Kleine Kinder können nur kürzere Zeiträume überblicken.
Unsere Empfehlung: Das Lutschprotokoll
Eine liebgewonnene Gewohnheit Knall auf Fall aufzugeben ist selbst für Erwachsene ganz schön schwer. Wie schwierig muss das erst für ein kleines Kind sein, das gar nicht so richtig versteht, warum die Eltern das Nuckeln doof finden. Haben Sie bitte Verständnis, wenn’s nicht auf Anhieb vollständig klappt.
Das Lutschprotokoll setzt auf einen fließenden Übergang, bei dem kleine Rückfälle akzeptiert werden.
Klingt theoretisch okay?
So setzen Sie es in die Praxis um:
Wählen Sie zunächst erreichbare Ziele aus, z.B. ein Tag pro Woche ohne Daumenlutschen / Schnuller (oder auch Nägelbeißen).
Vereinbaren Sie am Anfang der Woche mit Ihrem Kind das Ziel und die mögliche Belohnung (eine Kleinigkeit, etwas, worüber man sich freut, aber was kein Drama auslöst, wenn man es nicht kriegt, z.B.: das Kind darf den Nachtisch für Sonntag bestimmen. Bestimmen zu dürfen finden Kinder toll).
Schreiben Sie die Anzahl der erwarteten Sonnen pro Woche ins erste Kästchen. Lassen Sie Ihr Kind jeden Tag je nach Erfolg entweder eine Sonne oder eine Wolke in das Tageskästchen zeichnen.
Am Ende der Woche wird nachgezählt, ob das vereinbarte Ziel erreicht ist. Loben Sie, wenn ja. Bleiben Sie konsequent, wenn nicht. Dann gibt es am Sonntag eben nicht den allerliebsten Nachtisch Ihres Kindes, sondern einen anderen.
Fangen Sie klein an. Steigern Sie nur langsam.
„Meine Fortschritte“ können Sie als PDF-Datei herunterladen und ausdrucken. Gehen Sie dazu auf unsere